Emotionen erkennen und benennen Selbstverständnis entwickeln
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Hast du dich schon einmal über deine Emotionen geärgert? Wolltest du rationaler denken und deine Emotionen sollten dich endlich in Ruhe lassen?

Viele fühlen sich unwohl mit Gefühlen. Sie haben Angst vor der Welle und fühlen sich unsicher im Umgang damit. Immer noch lernen viele Kinder ihre Gefühle herunterzuschlucken, sie als unwichtig abzutun. Andere überdramatisieren ihre Gefühle. Ein differenzierterer Blick kann helfen. 

Gerade im Miteinander (Partnerschaft, Freundschaft) führen die Unterdrückung ebenso wie die Überdramatisierung zu Missverständnissen und Konflikten. Es ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, die Gefühle, die über Jahrzehnte hinweg unterdrückt wurden, plötzlich klar zu erkennen und zu benennen. Es ist ein Weg, einen reflektierten und bewussten Umgang damit zu erlernen. 

Dies soll KEIN Beitrag zur Selbstoptimierung sein. Es ist NICHT als fehlerhaft zu verstehen, wenn es dir bisher schwerfällt, deine Gefühle zu erkennen und zu benennen. Dieser Beitrag soll viel mehr eine Unterstützung auf der Reise der Selbstentdeckung sein.

Dieser Beitrag ist für all jene gedacht, die sich manchmal unsicher fühlen, was sie wirklich empfinden. Ich möchte dich dabei unterstützen, deine Gefühle zu identifizieren, dich besser zu verstehen und ausdrücken zu können. Oftmals hilft das Konkretisieren enorm in der Beziehung gemeinsame Lösungen zu finden und einander auf einer tieferen Ebene zu verstehen.

Angst und Stress

Angst und Stress sind in der Beziehungsgestaltung keinesfalls zu unterschätzen. Diese Emotionen beeinflussen unser Verhalten, unsere Entscheidungen und sie prägen unsere Beziehungen. 

Angst ist eine essenzielle Emotion, die nicht nur vor Gefahren warnt, sondern auch dazu beiträgt, dass wir uns unserer Umwelt und unseren eigenen Grenzen bewusst werden. Es geht darum, die eigenen Ängste zu verstehen. Es geht darum, einen angemessenen Umgang damit zu erlernen.

Wie zeigt sich deine Angst, dein Stress? 

Ich bin

  1. skeptisch, weil …
  2. misstrauisch, weil …
  3. irritiert, weil …
  4. verwirrt, weil …
  5. ungeduldig, weil …
  6. angespannt, weil …
  7. unruhig, weil …
  8. nervös, weil …
  9. gehemmt, weil …
  10. unsicher, weil …
  11. überfordert, weil …
  12. gestresst, weil …
  13. ängstlich, weil …
  14. eifersüchtig, weil …
  15. neidisch, weil …
  16. aufgeregt, weil …
  17. entsetzt, weil …
  18. schockiert, weil …
  19. überlastet, weil …

Versuche für dich Worte dafür zu finden, was so schlimm für dich ist, worin du die Gefahr erkennst und wo du genau befürchtest zu versagen. Was könnte schiefgehen? Woran zweifelst du? 

Emotionen erkennen und benennen Selbstverständnis entwickeln

Hoffnungslosigkeit / Ohnmacht

Diese Gefühle entstehen, wenn wir glauben, keine Kontrolle über unsere Situation zu haben oder wenn Lösungen unerreichbar scheinen. Allein das Erkennen unserer Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht öffnet allerdings die Tür einen kleinen Spalt. Mehrfach habe ich schon erlebt, dass es sehr hilfreich für meine Kundinnen war, ihrem Partner mit ihren tatsächlichen Gefühlen zu konfrontieren. Manchmal ist es natürlich auch wirklich das Ende für den gemeinsamen Weg. Daher ist es besonders schwer, den Gedanken auszusprechen. Womit gehst du in Resonanz?

 

Ich fühle mich

  1. mutlos.
  2. deprimiert.
  3. verzweifelt.
  4. hoffnungslos.
  5. blockiert.
  6. wie gelähmt.
  7. überfordert. 
  8. hilflos.
  9. machtlos.
  10. ohnmächtig.

Glaube nicht alles, was du denkst. Es ist möglich, dass du verzweifelt, blockiert oder überfordert bist. Dies muss nicht bedeuten, dass du nichts unternehmen kannst. Es muss nicht heißen, dass nichts verändert werden kann. Im ersten Schritt geht es um die Akzeptanz des Gefühls. Es ist wichtig, aufzuhören, dagegen anzukämpfen. Eventuell geht es auch darum, dich offen und verletzlich zu zeigen. Insbesondere, wenn du häufig den Eindruck hast, stets stark sein zu müssen und alles allein bewältigen zu müssen. 

Schuld und Scham

Scham entsteht oft durch das Gefühl, nicht genügen zu können. Wir neigen dazu, uns einzureden, dass wir irgendwie falsch sind oder etwas mit uns nicht stimmt. 

Auch die Scham kann differenziert werden. 

Ich

  1. bin nicht gut genug.
  2. habe versagt.
  3. bin peinlich berührt.
  4. vermute, dass mit mir etwas nicht stimmt.
  5. bin falsch.

Wenn wir diese Gedanken denken, fühlen wir Scham. Ein Mensch, der sich schämt, könnte dazu neigen, einen Konflikt mit sich ganz allein auszutragen. Scham verhindert das Öffnen und möglicherweise auch Unterstützung. Scham kann dazu führen, dass innere Konflikte zunehmen und das eigene Selbstwertgefühl geschwächt wird.  Kinder, die häufig beschämt wurden, haben als Erwachsene die Aufgabe, ihre Minderwertigkeitsgefühle zu überwinden und sich in Selbstannahme und Selbstliebe zu üben. 

Trauer

Trauer ist eng verbunden mit dem Verlust von Wertvollem. Oft ist Trauer mit dem Prozess des Loslassens von etwas verbunden, das wir liebgewonnen haben. Trauer ist ein schmerzhaftes Gefühl. Ich zucke regelmäßig innerlich zusammen, wenn ich Eltern höre, die Ihren Kindern sagen, hör auf zu weinen. Es ist doch nicht so schlimm. Liebevoll und mitfühlend ist das nicht. Allerdings kann ich verstehen, wenn sie ihre Trauer nicht leben konnten, dass sie mit dem Schmerz ihrer Kinder nicht in Berührung kommen wollten. Es aktiviert Ihre Trauer. 

Trauernde Erwachsene fühlen Scham, wenn sie trauern. “Erwachsene sollten keinen Liebeskummer haben”, denken sie. “Die Trennung sollte ich lange verarbeitet haben.” Scham macht sich breit, wenn es bisher nicht so ist. Es ist noch schlimmer, wenn die “Verlust-” Entscheidung selbst getroffen wurde. Das Unverständnis ist dann noch größer. Doch die Trauer ist ungebrochen. 

Ich bin traurig,

  1. weil ich … nicht bekomme. 
  2. weil ich … verloren habe. 
  3. weil ich … brauche.

Ich

  1. fühle mich bedrückt, weil …
  2. bedauere, dass …
  3. bin enttäuscht, weil …
  4. blase Trübsal, weil …
  5. kann nie wieder …

Wann immer du dir selbst sagst, jetzt habe ich ausreichend getrauert, ist es sicher noch lange nicht genug. Hör auf, gegen dich zu kämpfen. Es ist nicht notwendig, anders zu empfinden, nicht anders zu sein. Du darfst traurig sein. Die meisten Menschen beschleunigen den Prozess, indem sie sich dem Gefühl hingeben und sich erlauben, traurig zu sein.

Paare kommen besser durch diese Phasen, wenn sie offen darüber sprechen können und das Gefühl in ihrer Beziehung Raum erhält. 

Ärger, Wut und Frust

Diese Emotionen sind häufig Reaktionen auf wahrgenommene Ungerechtigkeiten. Wir sind verärgert, wenn etwas anders sein sollte, als es gerade ist. Auch Ärger und Wut sind in unserer Gesellschaft unerwünschte Gefühle. Es wird häufig mit Aggressivität assoziiert. Meiner Meinung nach ist Aggressivität eine Folge des ungesunden Umgangs mit diesem Gefühl. Ärger wird häufig unterdrückt und kann dadurch ungesund und unkontrollierbar werden. Wenn Ärger und Wut regelmäßig unterdrückt werden, kann es gut sein, dass man nur noch Leere empfindet. 

Wenn du mit einem Menschen zusammengelebt hast, welcher Wut, Ärger, Jähzorn nicht angemessen leben/ausdrücken konnte, wirst du das Gefühl der inneren Anspannung kennen. Menschen, die keinen gesunden Umgang damit gelernt haben, sind ein Pulverfass.  

Die Darstellung dessen, was die Wut ausgelöst hat, könnte ein erster Schritt in Richtung einer gesunden Beziehung sein.

Ich bin

  1. ärgerlich, weil …
  2. wütend, weil …
  3. geladen, seit …
  4. fassungslos. Wie konnte …
  5. erschüttert über …
  6. aufgebracht, weil …. wirklich unfair war.
  7. aufgebraucht, weil …. mich wirklich enttäuscht hat.
  8. bestürzt. Wie konnte …. passieren?
  9. genervt, weil …
  10. gereizt, durch …
  11. beleidigt, wegen …
  12. empört, weil …

Ich fühle mich

  1. nicht wertgeschätzt, weil …
  2. missachtet, weil …
  3. widerwillig, wegen …

Ich

  1. muss mich verteidigen, weil …
  2. habe die Nase voll, von …
  3. habe es satt, dass …
  4. reagiere trotzig, weil …
  5. resigniere, weil …
  6. fühle Bitterkeit, weil …
  7. bin demotiviert …
  8. fühle mich entmutigt, weil …

Das

  1. war nicht richtig, weil …
  2. darf man nicht machen, weil …
  3. war ungerecht, weil …
  4. ist sinnlos, weil …
  5. frustriert mich, weil …

Frustration und Bitterkeit entstehen, wenn es sich so anfühlt, als würde die Mühe sich nicht lohnen. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt in Richtung Veränderung. 

Es ist sehr hilfreich, seinen Ärger zu konkretisieren. Erstens hilft es bei der Selbsterkenntnis. Die eigenen Gedanken werden klarer. Es hilft zugleich, die Gespräche darüber zu konkretisieren.  Nur wenn es konkret ist, können Lösungen gefunden werden und Kommunikation kann nur dann zielführend sein. Nicht zuletzt ist es auch gesünder, weil man den Ärger besser verarbeiten kann. Je früher Ärger geäußert wird, desto weniger türmt er sich auf. 

Emotionen erkennen und benennen Selbstverständnis entwickeln

Schuld

Bei übermäßiger Intensität oder Dauer können Schuldgefühle kontraproduktiv sein. Es könnte sich um eine Art Selbstbestrafung handeln. Schuldgefühle sind natürlich nicht per se schlecht. Sie können uns helfen, wenn wir genau hinschauen, reflektieren und lernen. 

Ich

  1. fühle mich schuldig, weil …
  2. bin verantwortlich für …
  3. fühle mich verpflichtet …
  4. habe … falsch gemacht. 
  5. bin schuld an …
  6. hätte … nicht machen dürfen.
  7. hätte … machen müssen.

Versuche, konstruktiv aus deinen Fehlern zu lernen.

Ich 

  1. entschuldige mich bei …. für ….
  2. lerne … und werde ab sofort ….
  3. engagiere mich für …
  4. akzeptiere, dass …
  5. vergebe mir, dass …

Es ist von Bedeutung, dass wir uns mit Schuldgefühlen auseinandersetzen. Es ist wichtig, sie nicht als Last zu empfinden. Sie ermöglichen uns, uns selbst zu reflektieren. Sie eröffnen uns Wachstumschancen. Wenn wir beginnen, Fehler zu akzeptieren und konstruktiv darauf zu reagieren, können wir lernen und wachsen. Wir können Fehler nicht rückgängig machen. Wir können daraus lernen und durch unser Verhalten dazu beitragen, dass die Welt besser wird. 

Einsamkeit

Einsamkeit zeigt oft einen Mangel an tiefer, bedeutungsvoller Verbindung. Man fühlt sich allein und ist der Ansicht, dass niemand für einen da sein wird und niemand sich für einen interessiert. 

Konkretisiere es.

  1. Ich fühle mich einsam, wenn …
  2. …. hat meine Gedanken und Gefühle nicht verstanden, als ….
  3. … ist nicht darauf eingegangen, als ich …
  4. Das Gefühl der Einsamkeit wird schlimmer, wenn …
  5. Mir wird meine Einsamkeit besonders bewusst, wenn …
  6. Im Kreise von … fühle ich mich besonders einsam.
  7. Die Wurzel meiner Einsamkeit …
  8.  … triggert mein Gefühl der Einsamkeit.
  9. Seit …. fühle ich mich nicht mehr zugehörig.
  10. Mir fehlt emotionale Nähe.
  11. Ich sehne mich nach physischer Nähe. 
  12. Mir fehlen Menschen, die meine Werte …
  13. Ich sehne mich nach Menschen, die eine Leidenschaft haben für …
  14. Mir würde es helfen, wenn ich mit jemandem über … reden könnte.  

Es ist wichtig, sich mit den eigenen Gefühlen der Einsamkeit auseinanderzusetzen und zu verstehen, in welchen Situationen und unter welchen Umständen diese Gefühle besonders stark auftreten. Sobald du dich besser verstehst, kannst du aktiv auf Lösungssuche gehen. 

  1. Was kannst du konkret tun?
  2. Wem kannst du dich anvertrauen?
  3. Wo sind Menschen, die dir guttun?
  4. Zu wem könntest du die Beziehung vertiefen? 

Komplexe Gefühle

Die von mir zuvor beschriebenen Gefühle können selbstverständlich auch in Kombination auftreten. Zugegebenermaßen ist das sogar die Regel.

Wenn du in deiner Beziehung etwa das Gefühl hast, in die Enge getrieben zu werden, schau dir sowohl den Aspekt der Angst an und erforsche, was du an der Situation so schlimm und gefährlich erlebst. Schau auch, ob da Schuld oder Scham einen Anteil haben oder auch Wut. Vielleicht fühlst du dich auch ohnmächtig den Forderungen deines Partners ausgesetzt.  

Falls du dich nicht geliebt fühlst, schau dir deine Anteile von Schuld oder Scham an. Schau hin, wo Ärger, Wut und Frust sich zeigen. Auch Einsamkeit spielt hier wahrscheinlich eine Rolle. 

Ein schlimmes Gefühl ist es auch, betrogen worden zu sein. Auch dann ist es ein wahrer emotionaler Cocktail, den du für dich erforschen solltest. Zuerst fällt mir Wut ein, aber auch Ohnmacht und ganz bestimmt auch Trauer. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es wichtig ist, dich mit Angst, mit möglichen eigenen Schuldgefühlen oder Scham zu beschäftigen.  Klarheit hilft dir, bei der Verarbeitung. 

Ein letztes Beispiel könnte sein, dass du das Gefühl hast, immer alles allein machen zu müssen. Sagst du deinem Partner, dass du dir Unterstützung wünschst, ergänze es, indem du über deine Hilflosigkeit und Ohnmacht diesbezüglich sprichst. Bringe zum Ausdruck, wann und worüber du dich konkret ärgerst und wie einsam und traurig du bist.

Fazit

Unsere Gefühle bestimmen unser Leben viel mehr, als wir denken. Es fällt vielen schwer, sich wahrhaftig über ihre Gefühle zu unterhalten. Viele Menschen beschreiben es mit „ich fühle mich nicht geliebt“ oder ähnlich unkonkret. Falls du es bisher ebenso unkonkret gehalten hast, hast du nun hoffentlich Anhaltspunkte, um dich konkreter ausdrücken zu können.  

Meine Intention für diesen Beitrag war es, dir zu ermöglichen, Worte für deine Gefühle und deren Auslöser zu finden. Mir ist allerdings auch klar, dass Gefühle sich gern vermischen. Die Beschreibung deiner gemischten Gefühle ist meiner Erfahrung nach für den Partner oftmals weniger greifbar. Falls du also auch gemischte Gefühle beschreibst und darüber sprichst, dich nicht geliebt oder auch nicht respektiert zu fühlen, werde konkreter. Finde die passenden Worte. 

Sobald es gelingt, die eigenen Gefühle klar zu benennen, entsteht innere Klarheit. Diese Klarheit ermöglicht es dann, sich deutlich genauer auszudrücken und verstanden zu werden

Nebeneffekte: Deine Beziehungen können sich vertiefen.  

Ich wünsche dir, dass du dich zum einen selbst besser verstehst und auch besser verstanden wirst.